Faites vos jeux - Sind die Finanzmärkte ein Casino?

Faites vos jeux! Sind die Finanzmärkte ein Casino?

Ja. Und nein. Ein bisschen. Wir verraten dir die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Glücksspiel und Börse.

Ein Casino funktioniert in einer gewissen Weise tatsächlich ähnlich wie die Finanzmärkte. An beiden Orten geht man Wetten um Geld – sogenannte Lotterien – ein. Dabei gilt es allerdings zwei feine Unterschiede zu berücksichtigen: Im Casino herrscht das Risiko, an den Finanzmärkten die Unsicherheit. Und während man im Casino schliesslich immer verliert, verdient man mit vernünftigen Anlagen langfristig Geld.

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Irgendwie gleich…

Auch du wirst ihn schon gehört haben: den Vergleich der Finanzmärkte mit einem Casino. Doch wie zutreffend ist er eigentlich? Nicht völlig daneben. Selbst wenn man es etwas theoretischer betrachtet: In der Entscheidungstheorie gibt es den Begriff der «Lotterie». Eine Lotterie ist ein (theoretisches) Spiel mit unterschiedlichen möglichen Ergebnissen und ungewissem Ausgang. Ein einfaches Beispiel einer Lotterie ist die Wette um 100 Franken, abhängig davon, ob bei einem Münzwurf «Kopf» oder «Zahl» resultiert. Bei dieser Wette gewinnt oder verliert man die hundert Franken mit einer Wahrscheinlichkeit von jeweils 50 Prozent. Der sogenannte «Erwartungswert» einer Lotterie berechnet sich dabei als der gewichtete Mittelwert der möglichen Ergebnisse. Der Erwartungswert unseres Münzwurfes ist beispielsweise 0 Franken (50% * 100 + 50% * -100). Das lässt sich leicht erkennen, wenn man die Wette sehr oft wiederholt. In diesem Fall wird sich der durchschnittliche Gewinn pro Runde null annähern, weil man in fünfzig Prozent der Fälle gewinnt und in fünfzig Prozent der Fälle verliert. Der faire Preis dieser Lotterie entspricht deshalb genau ihrem Erwartungswert: null. In der Realität verlangen allerdings die meisten Menschen Geld für die Teilnahme an einem solchen fairen Spiel – zumindest, wenn es nicht nur einmalig oder zum Spass im Casino ist. Man bezeichnet dieses Verhalten als «risikoavers»: Wenn man Risiko scheut, möchte man dafür in Form einer Teilnahme-Prämie entschädigt werden. Im Gegensatz dazu gibt es Menschen, die sogar bereit sind, mehr als den fairen Preis für die Teilnahme an einem Glücksspiel zu bezahlen. Sie bezeichnet man als «risikoaffin». Casinos und die Finanzmärkte gleichen sich darin, dass sowohl die Spiele im Casino als auch Investitionen in Finanzprodukte als Lotterien betrachtet werden können.

…aber doch ganz anders.

Spielt es also keine Rolle, ob man mit der persönlichen Vorsorge ins Casino oder an die Börse geht? Doch, natürlich. Denn es gibt zwei fundamentale Unterschiede zwischen einer Aktien-Anlage und einem Roulette-Spiel: Erstens sind die Wahrscheinlichkeiten der unterschiedlichen Ergebnisse im Casino exakt bekannt. Die Wahrscheinlichkeit jeder der 37 Zahlen zwischen 0 und 36 beträgt 1/37 oder 2.7 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit einer schwarzen oder roten Zahl liegt bei 18/37 und damit bei etwa 48.6% – auch wenn es uns manchmal nicht so vorkommt. Situationen, in denen die möglichen Ergebnisse und deren Wahrscheinlichkeiten – wie beim Roulette – genau bekannt sind, werden in der Finanzwissenschaft unter dem Risiko-Begriff zusammengefasst. Im Gegensatz dazu können die Wahrscheinlichkeiten dafür, dass der Preis einer Aktie in Zukunft bestimmte Werte annimmt (die sogenannte «Preis- oder Rendite-Verteilung»), nur annähernd geschätzt werden. Solche Situationen, in denen die tatsächlichen Wahrscheinlichkeiten unbekannt sind, werden mit dem Begriff der Unsicherheit beschrieben. Genau genommen ist ein Roulette-Spiel deshalb riskant, ein Aktien-Investment unsicher. In der Praxis spricht man trotzdem oft in beiden Fällen von Risiko oder verwendet die beiden Begriffe synonym.

Und zweitens: Dadurch, dass die Wahrscheinlichkeiten beim Roulette bekannt sind, kann der Erwartungswert jedes Spiels exakt bestimmt werden. Für die Berechnung des Gewinns wird dabei vom Casino die grüne Null nicht mitberücksichtigt: Die Auszahlung bei einer Wette auf Zahl beträgt 35 zu 1 (nicht 37 zu 1). Bei einer Wette auf Farbe 2 zu 1 (nicht 37 zu 18). In anderen Worten: Roulette ist keine faire Lotterie. Der Erwartungswert des Spiels ist negativ. Je häufiger man Roulette spielt, desto mehr Geld verliert man. Und desto mehr verdient das Casino. Im Gegensatz dazu bieten viele Anlageklassen wie Aktien und Obligationen eine Prämie und damit einen positiven Erwartungswert. Das heisst, durch vernünftiges Anlegen an den Finanzmärkten verdient man langfristig Geld. Darüber haben wir im Artikel «Wann Geld arbeitet. Und wann es schläft.» geschrieben.

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