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Zurück in die Zukunft

Gibt Trump sein Comeback? Was uns die Finanzmärkte über die Wahlchancen des Republikaners verraten.

Stell dir vor, dir geht es wie Marty McFly nach seiner Rückkehr aus der Zukunft. Mit im Gepäck hast du allerdings nicht «Gray’s Sportalmanach» mit den Ergebnissen von 50 Jahren Sportgeschichte, sondern die Resultate der nächsten US-Präsidentschaftswahlen. Und die sind brisant: Trump wird wieder Präsident.

Aber was machst du damit? Der verrückte Professor auf deiner rechten Schulter hat deine zweifelhaften Gedanken längst erkannt und flüstert dir ins Ohr: «Verwendest du die Information, beschädigst du damit das Raumzeitkontinuum und zerstörst womöglich das gesamte Universum.» Das war zu erwarten vom alten Spielverderber. Noch bevor du Onkel Hubertus auf der anderen Schulter nach einer Zweitmeinung fragen kannst, steckt dir schon ein kleiner Champagnerkorken im Ohr: «Wir werden stinkreich!». Hubertus hat die besten Worte. Alle Zweifel sind beseitigt – du sagst ja zum Wohlstand.

Damit stellt sich nur noch ein Problem: Wie schlägst du überhaupt Kapital aus diesem Wissen? Dieser Frage gehen wir im aktuellen Marktbericht nach. Dabei verraten wir dir, welche Investments sich bei einem Sieg Trumps lohnen könnten. Aber nicht nur. Uns geht es um mehr als Banalitäten. Aus den Trump-Wetten lassen sich nämlich im Umkehrschluss die Wahlchancen herleiten, welche die Märkte den beiden Kandidaten beimessen. Und da hat sich in den letzten vier Wochen einiges getan: Geht es nach der Wallstreet, scheint die Wahl bereits entschieden.

Der Inflations-Kandidat

Um eine profitable Wette auf Trump platzieren zu können, muss man in einem ersten Schritt die Auswirkungen seiner Wirtschaftspolitik verstehen. Und in dieser Hinsicht erwartet man sich von einer erneuten Trump-Regierung vor allem eines: steigende Preise. Dafür gibt es drei Gründe.

Zölle verteuern ausländische Güter

Die USA weisen das weltweit mit Abstand höchste Handelsbilanzdefizit aus: Der Wert der jährlichen Importe übersteigt jenen der Exporte um über eine Billion (1'000 Milliarden) Dollar. Die USA importieren also viel mehr Güter als sie exportieren.

Um das Handelsbilanzdefizit zu reduzieren, plant Trump deshalb die Einführung von Strafzöllen auf ausländische Güter. Konkret hat er angedroht, die Zölle auf EU-Importe von knapp zwei auf zehn Prozent zu erhöhen. Auf chinesische Produkte sogar von 20 auf 60 Prozent. Durch diese Massnahme verschafft er den einheimischen Produzenten einen relativen Vorteil – er reduziert die Importe, stärkt die eigene Wirtschaft und schafft neue Arbeitsplätze. Auf diesem Versprechen basiert ein Grossteil seiner wirtschaftlichen Agenda.

Ganz so einfach, wie es scheint, ist es aber leider nicht. In der Realität besteht keine abschliessende Einigkeit über den richtigen Umgang mit Handelsdefiziten. Neben der Gefahr von Gegenmassnahmen verteuern Importzölle Produkte, Dienstleistungen und damit den Konsum: Die Inflation steigt.

Einwanderungsstopp lässt die Löhne steigen

Trumps zweite politische Kernposition basiert auf ähnlichen Überlegungen – und führt zu vergleichbaren Konsequenzen: Ein Einwanderungsstopp soll einheimische Arbeitnehmer in Niedriglohnsektoren schützen. Die Massnahme verspricht Trump einerseits Zustimmung in einem seiner Kernwählersegmente. Andererseits reduziert sie das Angebot von günstigen Arbeitskräften und erhöht dadurch Löhne und Preise: Die Inflation steigt.

Steuererleichterungen kurbeln die Wirtschaft an

Ein drittes wichtiges Versprechen in Trumps Wahlkampf sind Steuergeschenke. Gemäss seinen Plänen soll fast jeder davon profitieren: Überstunden, Trinkgelder und Renten sollen komplett von Steuern befreit werden. Daneben sollen unter anderen aber auch Immobilienbesitzer und Unternehmen Steuererleichterungen erhalten. Und das hat seinen Preis. Insgesamt sollen dem amerikanischen Staat so 11 Billionen US-Dollar an Steuereinnahmen entgehen.

Das führt zu zwei Effekten: Einerseits schätzt das parteiunabhängige «Komitee für ein verantwortungsvolles Staatsbudget», dass die ohnehin enormen US-Staatsschulden von aktuell etwa 35 Billionen US-Dollar unter Trump um weitere 7.5 Billionen anwachsen könnten – im Vergleich zu «nur» 3.5 Billionen bei einer Wahl von Harris. Andererseits erhofft man sich von den Steuersenkungen eine Stärkung der Wirtschaft - es wird mehr Geld ausgegeben. Die Schattenseite davon: Die Inflation steigt.

Die Trump-Wetten

Nun wissen wir, was die Märkte von Trumps Wirtschaftspolitik erwarten: Ein steigendes Staatsdefizit und Inflation. Aber wie profitiert man davon? Zum Beispiel mit den derzeit vieldiskutierten Trump-Trades:

Steigende US-Anleiherenditen

Auch der Staat muss seine Schulden finanzieren. Steigt das Staatsdefizit, müssen die USA deshalb im grossen Stil neue Kredite aufnehmen. Das wichtigste Instrument, das ihnen dafür zur Verfügung steht, ist die Ausgabe neuer Staatsanleihen. Dadurch steigt das Gesamtangebot der sogenannten US-Treasuries. Um trotzdem ausreichend Käufer zu finden, welche die Staatsschulden finanzieren möchten, müssen die USA die Attraktivität der Anleihen erhöhen, indem sie eine höhere Verzinsung versprechen: Die Renditen von US-Staatsanleihen steigen. Und genau darauf wetten derzeit zahlreiche Investoren, die an einen Trump-Sieg glauben.

Ein stärkerer US-Dollar

Ein anderer beliebter Trump-Trade ist die Wette auf einen steigenden US-Dollar. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Einerseits profitiert der US-Dollar von der Einführung von Strafzöllen: Um ausländische Güter zu kaufen, muss man die eigene Währung in eine Fremdwährung umtauschen – Amerikaner verkaufen US-Dollar, um ihre Importe zu finanzieren. Das drückt auf den Kurs. Umgekehrt bedeutet das: Durch Strafzölle sinken die Importe, es werden weniger Dollar gewechselt, sein Wert steigt.

Ein zweiter Grund liegt in der Inflation: Nationalbanken bekämpfen steigende Preise mit Zinserhöhungen. Inflation führt also zu höheren Zinsen. Und die machen eine Währung attraktiv. Die Nachfrage steigt - und damit ihr Preis. Die erwartete Inflation unter Trump kann also einen weiteren Grund für eine Aufwertung des US-Dollars darstellen. Zumindest kurzfristig.

Trump Media & Technology Group

Die vielleicht einfachste Variante, um von einem möglichen Sieg Trumps zu profitieren, ist ein Investment in die Aktien von Trump Media & Technology Group (TMTG). TMTG ist das Medienunternehmen, das Trump nach seiner Sperrung bei Twitter gegründet hatte, um seine eigene Social-Media-Plattform «Truth Social» zu betreiben.

Obwohl das Unternehmen gemäss eigenen Angaben im ersten Halbjahr 2024 einen Umsatz von gerade einmal eineinhalb Million generierte – bei einem Verlust von fast 350 Millionen –, hat es derzeit einen Börsenwert von fast 10 Milliarden US-Dollar. Dieser Umstand und die enormen Wertschwankungen der letzten Tage, die am Dienstag sogar einen Handelsstopp des Titels nötig machten, zeigen, dass TMTG in den letzten Wochen endgültig zu einer Meme-Aktie geworden ist. Spekulanten wetten mit TMTG auf einen Sieg Trumps, bei dem sich Truth Social plötzlich aus der Bedeutungslosigkeit zur Hauptinformationsplattform des amtierenden US-Präsidenten entwickeln könnte.

Die Märkte haben einen klaren Favoriten

Die Trump-Trades erlauben also jenen, die bereits zu wissen glauben, wie die Wahlen ausgehen, ihre Überzeugung in Profite umzumünzen. Allen anderen – und dazu zählen wir auch uns selbst – bieten die Wetten umgekehrt die Möglichkeit, einen Blick in die Kristallkugel zu werfen. Die Märkte funktionieren nämlich im Idealfall als perfekte Informationsaggregatoren: Sie reflektieren das gesammelte Wissen und die Überzeugungen der Investoren. Gewinnen die Trump-Trades an Wert, weist das darauf hin, dass die Chancen des Republikaners gestiegen sind.

Und tatsächlich konnte man genau dies in den letzten vier Wochen beobachten. Und zwar so deutlich, dass mittlerweile die meisten Marktbeobachter überzeugt sind, dass die Wallstreet sich bereits auf einen Gewinner festgelegt hat: Trump.

Infografik - Die Trump Wetten - Die Märkte haben einen Favoriten

Wie man in unserer Darstellung erkennt, haben alle Trump-Trades seit ihrem Tiefpunkt Anfang Oktober deutlich zugelegt, nachdem sie zuvor durch das Band an Wert verloren hatten. Dies widerspiegelt die Tatsache, dass Harris sich seit ihrem Einstieg in das Präsidentschaftsrennen bis vor kurzem kontinuierlich an Trump herangekämpft und ihn zwischenzeitlich sogar überholt hatte. In den letzten gut vier Wochen scheint sich diese Dynamik nun gedreht zu haben: Der Wert von TMTG verzweieinhalbfachte sich beinahe in dieser Zeit. Der Wert des Dollars legte gegenüber den wichtigsten Währungen um vier Prozent zu. Und die Rendite von zehnjährigen US-Staatsanleihen stieg um 0.5 Prozent von 3.75 auf 4.26 Prozent.

Die Vermutung, dass sich das Blatt zugunsten von Trump gewendet haben könnte, legt auch eine etwas unzuverlässigere Quelle nahe. RealClearPolling errechnet aus den Quoten der wichtigsten Wettanbieter die aggregierte Gewinnchance der beiden Präsidentschaftskandidaten.

Infografik - Die Trump Wetten - Im Gleichschritt mit den Wahlchancen

In der Darstellung wird ersichtlich, dass sich auf wöchentlicher Basis alle Trump-Wetten seit Anfang August mehr oder weniger im Gleichschritt mit den Wettquoten von Trump bewegen. Am eindeutigsten gilt dies für die Wertentwicklung der TMTG-Aktie. Sie weist eine Korrelation von fast 70 Prozent mit den Wettquoten auf. Eine ähnlich hohe Übereinstimmung beobachtet man auch mit dem US-Dollar. Allerdings mit einer Verzögerung von einer Woche: Erhöhten sich die Wahlchancen von Trump, stieg der Dollar im Verlauf der kommenden Woche mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent. Das gleiche Phänomen, wenn auch etwas weniger ausgeprägt, liess sich ebenfalls für die Renditen von US-Staatsanleihen beobachten. Sie nahmen nach einem Anstieg der Wettquoten in über 70 Prozent der Fälle zu.

Die Wettquoten sprechen also die gleiche Sprache wie die Finanzmärkte. Und die ist plötzlich sehr klar: Während die Wettbüros Harris Ende September mit 51 Prozent noch leicht vor Trump sahen, liegt dieser eine Woche vor der Wahl scheinbar uneinholbar mit 63 Prozent in Führung.

Ist die Wahl bereits gelaufen?

Die Finanzmärkte scheinen sich in den vergangenen Wochen also festgelegt zu haben – so zumindest die verbreitete Meinung. Aber ist die Wahl tatsächlich schon entschieden?

Die Finanzmärkte bieten zwar eine spannende zusätzliche Perspektive, die klassische Wahlumfragen nicht geben können. Sie reflektieren umfangreichere Informationen und sind tendenziell unvoreingenommen – Geld lügt nicht. Andererseits werden sie durch zahlreiche andere wirtschaftliche, politische und psychologische Faktoren beeinflusst. Das macht die Voraussagen viel unzuverlässiger als klassische Wahlumfragen.

Die besprochenen Zusammenhänge und Korrelationen zwischen Trump-Trades und Wahlchancen sind zarte Pflänzchen. Sie hängen stark vom betrachteten Zeitraum, der Frequenz der Daten und der Zeitverzögerung ab. So eindeutig sie aktuell wirken, sie könnten sich im Nachhinein problemlos als Zufall herausstellen. Entsprechend scheint uns auch die Einigkeit der Wallstreet noch verfrüht. Klassische Wahlumfragen haben in den letzten Wochen zwar ebenfalls eine leichte Verschiebung zu Gunsten Trumps festgestellt – insbesondere in den umkämpften Swing States. Kein seriöser Politikexperte würde sich angesichts der äusserst knappen Resultate aber heute schon festlegen.

Und damit sind sie anscheinend nicht allein. Auch viele Investoren scheinen aktuell von einer so knappen Wahl auszugehen, dass sie erst einige Tage nach dem Urnengang endgültig entschieden ist. Diesen Schluss lassen zumindest Optionsdaten für Trumps TMTG zu. Optionen sind Finanzinstrumente, mit denen man auf steigende oder fallende Kurse wetten kann. Im Gegensatz zu Aktien haben Optionen ein Verfallsdatum, an dem die Kontrakte abgewickelt werden. Für TMTG gibt es aktuell ungewöhnlicherweise mehr als doppelt so viele offene Optionskontrakte, die am 15. November – eine Woche nach der Wahl – auslaufen, als in der Wahlwoche selbst. Eine auffällige Häufung gibt es daneben Anfang Januar. Ein Hinweis darauf, dass sich die Unsicherheit sogar bis zur Zertifizierung der Wahlergebnisse am 6. Januar hinziehen könnte. Auch das spricht dafür, dass wir uns womöglich nicht nur auf einen sehr knappen, sondern auch sehr langen Showdown vorbereiten müssen.

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