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«I have the best stonks!»

Wie beeinflusst die US-Präsidentschaftswahl die Börse? Ein Blick zurück verrät, was uns im November erwarten könnte.

Stell dir vor, du bist US-Präsident: Alle tanzen nach deinen Tweets. Selbstverständlich. Du hast die besten Worte und die zweitbeste Armee der Welt. Nichts kann sich deinem Einfluss entziehen. Nicht einmal die Finanzmärkte. Du schickst Leute auf den Mond, weshalb also nicht auch die Aktienkurse?

Vielleicht hast du dich nach Joe Bidens Rückzug deshalb auch gefragt, welchen Einfluss eine erneute Wahl Trumps auf deine Anlagen haben könnte. Wie würden die Märkte darauf reagieren? Und welchen Einfluss hat der US-Präsident überhaupt auf die Entwicklung der Börsen?

Diesen Fragen gehen wir im neuesten Marktbericht nach und entdecken dabei Erstaunliches.

«Who has the best stonks?»

Um herauszufinden, welchen Einfluss die US-Präsidentschaft auf die Aktienmärkte hat, bietet sich als Erstes wie immer ein Blick in die Vergangenheit an. Von Coolidge (wer?) bis Biden: Wir haben für alle 25 Legislaturperioden seit 1926 die durchschnittlichen jährlichen Renditen des US-Aktienmarktes berechnet. Daraus haben wir eine Rangliste erstellt, um die Frage zu klären: Wer sind die grössten Aktienflüsterer unter den US-Präsidenten? Who has the best stonks?

Infografik - Who has the best stonks

Um nicht nur auf die Person zu spielen, sondern gleich noch etwas zu polarisieren, haben wir zudem auch die Parteizugehörigkeiten berücksichtigt. Und dies erlaubt uns folgenden ersten (völlig objektiven) Schluss: Einem Republikaner solltest du dein Geld besser nicht anvertrauen.

Während die Aktienmärkte unter demokratischen Präsidenten durchschnittlich um 14 Prozent pro Jahr zugelegt haben, erreichten die Republikaner gerade einmal 6 Prozent. Wie enorm dieser Unterschied ist, wird noch deutlicher, wenn man die Durchschnittsrenditen auf den knapp hundertjährigen Gesamthorizont hochrechnet. In dieser Betrachtung entstanden über 90 Prozent aller Aktienmarktgewinne unter demokratischer Regierung. Diese Tatsache blieb auch der Wissenschaft nicht verborgen und ist bekannt unter dem Namen «The Presidential Puzzle» – ein Puzzle bezeichnet dabei ein unerklärtes Phänomen.

Nun wäre es aber zu einfach, diese Tatsache auf die Unfähigkeit republikanischer Präsidenten zu schieben. Denn es stellt sich die Frage, welchen Einfluss die Politik überhaupt auf die Entwicklung der Aktienmärkte hat und ob es andere Gründe gibt, die den Unterschied erklären können. Dieser Frage und der Lösung des «Presidential Puzzles» haben sich deshalb schon verschiedene Forscherinnen gewidmet. Einer der wichtigsten Gründe für die grosse Abweichung wird aber bereits in unserer Darstellung ersichtlich: Die Republikaner trugen die Regierungsverantwortung während den meisten grossen Finanzkrisen der letzten hundert Jahre.

Das zeigt sich deutlich am unteren Rand unserer Rangliste: Mit Nixon, Ford, Hoover und zweimal Bush Jr. stellten die Republikaner während fünf der sechs unrentabelsten Perioden den Präsidenten. Dies beinhaltete die grosse Depression (Hoover), das Ende der DotCom-Blase und die Finanzkrise von 2007 (Bush Jr.) sowie die Ölpreiskrise (Nixon & Ford). Rechnet man diese globalen Krisenperioden raus, relativiert sich das Bild: Mit einer Durchschnittsrendite von 16 Prozent schneiden die Demokraten dann zwar immer noch deutlich besser ab als die Republikaner mit 13 Prozent, das Ausmass der Differenz reduziert sich aber.

Damit haben wir jetzt ausgiebig über die Verlierer gesprochen. Aber wie sieht es am oberen Ende der Rangliste aus? Dort sticht vor allem einer raus – und es ist nicht Trump: Auf dem ersten Platz landet nämlich Franklin D. Roosevelt zwischen 1933 und 1937 mit einer jährlichen Durchschnittsrendite von 40 Prozent. Dabei profitierte er von der Erholung der Aktienmärkte nach der grossen Depression: Nach der Jahrhundertkrise und der Abwahl von Hoover konnten die Aktienkurse kaum noch weiter fallen. Die Börsen erholten sich und bescherten Roosevelt ein Kursfeuerwerk.

Und Trump? Der hielt sich tatsächlich ganz beachtlich: Von allen Präsidenten des 21. Jahrhunderts landet er mit einer Rendite von 18 Prozent immerhin auf Rang zwei. Was ihm allerdings nicht schmecken dürfte, ist sein Podestnachbar. Ganz oben steht nämlich Barack Obama (2009 - 2013) mit 19 Prozent.

Aktien entlassen Präsidenten

Nach dieser ersten Analyse drängt sich endgültig die Frage auf: Wer treibt hier eigentlich wen? Haben US-Präsidenten einen Einfluss auf die Börsen oder ist es vielleicht genau umgekehrt?

Um diese Frage zu beantworten haben wir die Aktienmarktrenditen der Wahljahre berechnet und bestimmt, ob die aktuelle Regierungspartei danach für eine weitere Legislatur an der Macht bleiben konnte.

Die Überlegung dahinter ist folgende: Die Aktienmärkte widerspiegeln für die Wählerinnen und Wähler den Zustand der Wirtschaft. Eine positive Börsenentwicklung könnte deshalb für eine Wiederwahl der aktuellen Regierungspartei sprechen und umgekehrt. Wäre dies der Fall, würden die Finanzmärkte das politische Geschehen bestimmen – und weniger umgekehrt.

Infografik - Aktien entlassen Präsidenten

Und tatsächlich lässt sich dieser Zusammenhang bereits von Auge in unserer Darstellung erkennen: Je tiefer die Rendite im Wahljahr, desto höher die Chance, dass der aktuelle Präsident abgewählt und durch die Kandidatin der Gegenpartei ersetzt wird: Die Korrelation zwischen der Aktienmarktrendite im Wahljahr und einer Wiederwahl der Regierungspartei liegt bei über 30 Prozent.

Natürlich erklärt das noch lange nicht den gesamten Wahlerfolg. Es zeigt aber, dass die Entwicklung der Aktienmärkte einen wichtigen Einfluss auf die Politik hat. Besonders deutlich wird der Zusammenhang, wenn man Wahljahre anschaut, die mit grossen Krisen zusammenfallen. Bei deutlichen Verlusten kurz vor der Wahl wird eine Wiederwahl sehr unwahrscheinlich – Aktien entlassen Präsidenten.

So konnte die jeweilige Regierungspartei weder nach der grossen Depression (1933) noch während der DotCom-Krise (2001) oder nach der globalen Finanzkrise (2009) die Präsidentschaft retten. Eine Ausnahme dazu stellt die zweite Legislatur von Roosevelt (1941) dar: Trotz – kaum überraschend – schlechten Renditen im Jahr 1940 sicherte er seine Wiederwahl. Ihm dürfte sowohl sein bisheriger Leistungsausweis als auch die Unsicherheit des zweiten Weltkriegs geholfen haben: Während Kriegen vermeiden die Wähler üblicherweise Experimente.

Trump und die Märkte: It's complicated!

Bisher haben wir also zwei Dinge gelernt: In der Vergangenheit war die Beziehung zwischen den Republikanern und den Aktienmärkten schwierig. Und je höher die Aktiengewinne im Wahljahr, desto grösser die Chancen des Präsidenten auf eine Wiederwahl. Aber was bedeutet das für die bevorstehenden Wahlen und eine mögliche Präsidentschaft Trumps?

Infografik - Trump und die Märkte - eine Liebesgeschichte

Um diese Frage zu beantworten, haben wir die Entwicklung der Wahlumfragen von 2020 und 2024 jener der Aktienmärkte gegenübergestellt. Entwickeln sich die Wahlchancen von Trump im Gleichschritt mit den Aktienkursen, könnte dies bedeuten, dass die Märkte eine Präsidentschaft Trumps begrüssen und umgekehrt. Immer unter der Annahme, dass die Wahlumfragen tatsächlich die Aktienmärkte beeinflussen.

Andererseits wissen wir bereits, dass die Entwicklung der Aktienmärkte einen Einfluss auf die Wiederwahlchancen der Regierungspartei hat – im aktuellen Fall der Demokraten. Dieser Effekt sollte dazu führen, dass die Wahlchancen von Trump sinken, wenn die Märkte steigen.

Mit anderen Worten: Bewegen sich die Zustimmungswerte von Trump und die Aktienmärkte in unterschiedliche Richtungen, kann dies zwei unterschiedliche Ursachen haben. Entweder die Aktienmärkte mögen den Republikaner nicht, weil sie sich in Übereinstimmung mit dem «Presidential Puzzle» vor schlechten Renditen fürchten. Oder die Umfragen widerspiegeln den Einfluss der Aktienmärkte auf die Wahlchancen der Republikaner: Steigen die Aktienmärkte, sinken die Chancen auf eine Abwahl der Demokraten und damit auf eine erneute Präsidentschaft Trumps.

Am Ende stellt sich also auch hier die Frage nach der sogenannten «Kausalität»: Treibt der Präsident die Aktienmärkte oder umgekehrt? Dieser Umstand macht die Liebesbeziehung zwischen Trump und den Märkten kompliziert.

Einige spannende Beobachtungen lassen sich aber trotzdem machen: Zu Beginn des Wahljahres – sowohl 2020 als auch 2024 – waren Trump und die Aktienmärkte in der Honeymoon-Phase; seine Umfragewerte und die Aktienkurse haben sich in dieser Zeit jeweils tendenziell im Gleichschritt bewegt. Je näher der Wahltag rückte, desto bedeutender wurde allerdings der negative Effekt der Aktienmärkte auf die Wahlchancen Trumps: Sowohl aktuell als auch in der Endphase des Wahlkampfes von 2020 verschlechterten sich die Umfragewerte von Trump bei steigenden Aktienpreisen. Die Liebesbeziehung kühlte sich offenbar ab. Zumindest im Durchschnitt.

Denn wenn man die Situation anhand einzelner Ereignisse analysiert, stellt sich die Situation teilweise anders dar: Als Reaktion auf das gescheiterte Attentat am 13. Juli 2024 stiegen beispielsweise sowohl Trumps Umfragewerte als auch die Aktienmärkte um über ein Prozent. Ein Hinweis darauf, dass die Investorinnen womöglich doch hinter Trump und der republikanischen Partei stehen. Ein Grund dafür könnte die Wahrnehmung von Trump als Wirtschaftsvertreter sein: Die Marktteilnehmer erwarten sich von einer republikanischen Regierung eine anlegerfreundlichere Politik.

Was sich allerdings sicher sagen lässt, ist, dass die Aussicht auf eine Präsidentschaft Trumps auch an den Börsen für Unsicherheit sorgt. Die Schwankungen der Aktienmärkte nahmen während beiden Wahlkampfkampagnen jeweils eindeutig zu, wenn Trumps Chancen stiegen. So auch nach seinem kürzlichen Umfragehoch.

All dies spricht dafür, dass Investorinnen und Investoren in Trump womöglich die grösseren Chancen sehen, ihn aber gleichzeitig als unberechenbarer einstufen als seine Gegenkandidatin Harris.

Was passiert bei einer Wahl Trumps?

Solltest du dich also auf einen wilden November an den Aktienmärkten vorbereiten? Nicht unbedingt. Welchen Einfluss der Wahlausgang selbst auf die Aktienpreise haben wird, ist schwer hervorsehbar. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass es am 5. November zu grossen Verwerfungen an den Börsen kommt.

Der Grund dafür ist einfach: Die Finanzmärkte lernen ständig. Ein Wahlsieg Trumps (und die entsprechenden Konsequenzen) kündigen sich nicht erst am Wahltag, sondern bereits Wochen und Monate zuvor an – die Märkte antizipieren zukünftige Entwicklungen. Je eindeutiger der Wahlausgang sich bereits im Vorfeld abzeichnet, desto geringer dürfte der Einfluss der finalen Resultate sein.

Ganz grundsätzlich lässt sich aber sagen: So viel Macht das Amt auch bietet, die Aktienmärkte werden von globalen Einflussfaktoren bestimmt, nicht vom US-Präsidenten. Deshalb gilt bei der Präsidentschaftswahl und den Aktienmärkten das gleiche Prinzip wie beim Super Bowl: Hol dir Popcorn, lehn dich zurück und geniess das Spektakel. Oder wenn es dich nicht interessiert: Schalt den Fernseher einfach aus. Langfristig bleibt die Bedeutung vermutlich überschaubar.

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