Warum Inflation so schmerzt!
Die Bekämpfung der Inflation ist wie die Suche nach der richtigen Wassertemperatur beim Duschen: mühsam und schmerzhaft.
Die Wirtschaft dreht sich derzeit um ein Thema: Inflation. Wenn man sich mit den Finanzmärkten beschäftigt, kommt man nicht an ihr vorbei. In diesem Marktbericht gehen wir deshalb ein wenig detaillierter auf die Inflation ein und zeigen dir, welche Bedeutung sie für dich und das aktuelle Marktumfeld hat. Aber der Reihe nach:
Was ist eigentlich das Problem mit Inflation?
Inflation bedeutet, dass das Preisniveau der Wirtschaft steigt: Stell dir vor, alles, was mit Geld bezahlt wird, ist plötzlich zehnmal so teuer. Ein Liter Benzin kostet nicht mehr 2 Franken, sondern 20 Franken. Deine Lieblings-Sneakers nicht mehr 150, sondern 1’500 Franken. Und ein Coiffeur-Termin 500 anstatt 50 Franken. Natürlich verdienst auch du neu zehnmal so viel. Denn die Produkte oder Dienstleistungen, an denen du mitarbeitest, werden ebenfalls zehnmal so teuer verkauft. Das heisst, eigentlich bleibt alles beim Alten. Das Einzige, was sich ändert, ist die Recheneinheit unserer Währung. Die Nationalbank muss deshalb neue, grössere Noten drucken und Unternehmen ihre Preise anpassen. Restaurants beispielsweise, indem sie neue Menü-Karten drucken lassen. All das verursacht Aufwand. Deshalb spricht man in diesem Zusammenhang oft auch von den “Menü-Kosten” der Inflation. Sobald das allerdings erledigt ist, geht alles weiter wie bisher. Nur halt mit grösseren Zahlen. Eigentlich kein Problem. Oder?
Ganz so einfach ist es leider nicht. Denn die Inflation hat in der Realität noch einen weiteren Effekt: Geld, das wir in der Vergangenheit verdient haben – also unser Erspartes – verliert seinen Wert. Denn im Gegensatz zu unseren Löhnen wächst das Geld auf dem Sparkonto nicht mit der Inflation.
Und wie bekämpft man Inflation?
Um zu verhindern, dass wir unser hart Erspartes nicht durch steigende Preise verlieren, haben Nationalbanken den Auftrag, das Preisniveau stabil zu halten. Das Werkzeug, das sie dafür haben, sind die Zinsen. Durch die Festlegung der sogenannten Leitzinsen – d.h. der Zinsen, zu denen Banken Geld bei der Nationalbank ausleihen dürfen – bestimmen die Nationalbanken das Zinsniveau der Wirtschaft. Erhöhen sie den Leitzins, werden Kredite teurer und damit weniger attraktiv. Dadurch gibt es weniger Geld, es wird weniger investiert und konsumiert. Oder mit anderen Worten: Die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen geht zurück. Die Preise sinken und die Inflation reduziert sich.
Warm. Wärmer. Nicht so heiss!
So zumindest in der Theorie. In der Realität hat die Nationalbank aber ein ähnliches Problem bei der Bekämpfung der Inflation wie wir alle morgens unter der Dusche: Auf der Suche nach der richtigen Temperatur stellt man den Regler etwas wärmer. Wenn der Effekt nicht bald spürbar wird, reguliert man etwas nach. Bevor man die Nerven verliert und richtig zulangt. Kurz darauf erhöht sich die Temperatur dann endlich. Allerdings auf gefühlte 100 Grad. Und bis man alles wieder unter Kontrolle hat, trägt man nicht selten Verbrennungen zweiten Grades davon.
Der Grund für diesen täglichen Kampf ist die Verzögerung von Massnahme und Wirkung. Das Gleiche gilt für die Inflation: Anders als in unserem Beispiel erhöhen sich Preise nicht auf einen Schlag. Inflation kommt in Wellen: einer kurzfristigen und einer zeitlich verzögerten, langfristigen. Darstellung 1 (siehe oben) zeigt diesen Effekt in den USA seit 1968. Die Verzögerung, die durchschnittlich etwa 9 Monate beträgt, hat damit zu tun, dass nicht alle Preise gleich schnell reagieren. Rohstoffe wie Öl oder Weizen werden an der Börse gehandelt und werden sofort teurer, wenn sich das Angebot reduziert. Alles, was direkt aus diesen Rohstoffen produziert wird – beispielsweise Benzin und Nahrungsmittel –, verteuert sich ebenfalls relativ schnell, weil die Produktionskosten gestiegen sind. Das ist der kurzfristige Effekt der Inflation. Dadurch reduziert sich unsere Kaufkraft: Wir können uns mit unserem Lohn plötzlich nicht mehr gleich viel leisten. Entsprechend braucht es Lohnerhöhungen, um den Effekt zu neutralisieren. In diesem Zusammenhang spricht man deshalb von einem Teuerungsausgleich. Das passiert allerdings nicht sofort und nicht im gleichen Ausmass wie die kurzfristige Inflation. In der Regel entsteht eine politische Verhandlung zwischen Arbeitnehmer:innen und Unternehmen um die Anpassung der Löhne. Diese dauert in der Regel Monate. Erst, wenn Einigungen gefunden und die Löhne erhöht wurden, kommt die Kaufkraft wieder zurück und der kurzfristige Effekt der Inflation verpufft. In diesem Moment beginnt allerdings die langfristige Inflation (“Kerninflation”) zu wirken: Durch die Erhöhung des Lohnniveaus steigen erneut die Preise. Dieses Mal vor allem jene von Dienstleistungen und Produkten, die einen hohen Arbeitsaufwand in der Herstellung erfordern.
Die Nationalbank orientiert sich bei der Festlegung der Leitzinsen dabei hauptsächlich an der bereits verzögerten Kerninflation. Die Wirkung einer Zinserhöhung auf die Inflation tritt dabei wiederum erst etwas später ein. Diese doppelte Verzögerung macht die Bekämpfung der Inflation so schwierig. Vielleicht sogar noch schwieriger als unseren morgendlichen Kampf unter der Dusche.
Inflation und die Aktienmärkte
Was uns aber natürlich hauptsächlich interessiert: Wie kann ich mich selbst gegen Inflation schützen? Wie bereits erwähnt, ist die schlechteste Strategie, sein Geld auf dem Sparkonto liegen zu lassen. Dort wird es von der Inflation langfristig aufgefressen. Deshalb sollte man sein Geld investieren, damit es stärker wächst als die Inflation.
Durch eine Investition in Aktien kann man sich zwar nicht vor der kurzfristigen Inflation schützen, langfristig bieten die Aktienmärkte aber eine Rendite, die deutlich über die Inflation hinausgeht. Wenn die Inflation kurzfristig stark ansteigt – wie während dem Tech-Crash Ende 60er, den Ölkrisen der 70er, der Schuldenkrise in den 80ern oder aktuell dem Ukraine-Krieg –, verlieren die Aktienmärkte in der Regel an Wert. Sobald die Inflation aber wieder runterkommt, erholen sich Aktien oft relativ schnell und du verdienst langfristig deutlich mehr als mit dem Geld auf deinem Sparkonto. In Darstellung 1 (siehe oben) erkennst du das, wenn du dir die Entwicklung des Aktienmarkts in blau während und nach den hervorgehobenen Phasen anschaust. Der Grund dafür, dass auch Aktien bei Inflation temporär an Wert verlieren, liegt dabei nicht in erster Linie an der Teuerung selbst, sondern vor allem an den Zinserhöhungen, mit denen die Nationalbanken die Inflation bekämpfen: Durch die höheren Zinsen werden Kredite und damit Investitionen teurer. Das Wirtschaftswachstum wird gebremst und die Aussichten für Unternehmen verschlechtern sich. Ausserdem werden andere Anlagen wie Obligationen, die einen Zins bieten, attraktiver, weshalb die Nachfrage und damit der Preis von Aktien sinkt.
Und wo stehen wir aktuell mit der Inflation?
In den vergangenen Jahrzehnten wurden wir grösstenteils von Inflation verschont. Mit dem Ende der Corona-Pandemie und dem Beginn des Ukraine-Kriegs kamen dann aber zwei aussergewöhnliche Faktoren zusammen, die zum ersten Mal seit Langem wieder zu einem deutlichen Anstieg des Preisniveaus geführt haben: Nach Corona haben die Haushalte begonnen, Konsum und Investitionen nachzuholen, die sie bis dahin verschoben hatten. Dadurch stieg die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen. Gleichzeitig waren die Produktionskapazitäten und die Lieferketten der Unternehmen noch nicht wieder auf dem gleichen Stand wie vor der Pandemie. Dazu kam die Verknappung von Öl, Gas und anderen Rohstoffen durch den Ukraine-Krieg.
Die Kombination von erhöhter Nachfrage und reduziertem Angebot führte zwischen 2021 und Anfang 2022 zu einem starken Anstieg der kurzfristigen Inflation, die in Amerika im März 2022 mit 20% Teuerung gegenüber dem Vorjahr ihren Höhepunkt erreichte. In den letzten Monaten hat sich die kurzfristige Inflation bereits wieder deutlich reduziert. Derzeit steht sie noch bei etwa 7%. Und es besteht die Hoffnung, dass sie sich relativ bald wieder der Zielinflation von 2% annähert. Die verzögerte Kerninflation stieg dagegen noch bis vor kurzem weiter an und steht in den USA aktuell ebenfalls bei 7%. Im Moment geht man davon aus, dass auch sie ihren Höhepunkt gerade überschreitet und in den nächsten Monaten der kurzfristigen Inflation auf ihrem Weg zurück auf ein tieferes Niveau folgt.
Der starke Anstieg der kurzfristigen Inflation hat die Aktienpreise aus den beschriebenen Gründen deutlich unter Druck gebracht: Der maximale Verlust, der im September 2022 während des Ukraine-Kriegs erreicht wurde, betrug 25%. Wie du in unserer Infografik oben siehst, liegen wir damit im Mittelfeld ähnlicher historischer Krisen. Im Durchschnitt verlieren die Aktienmärkte während Phasen hoher Inflation etwa 32% an Wert. Sobald sich die Inflation wieder reduziert, tritt eine Erholung ein und die Aktienpreise beginnen zu steigen. Die Inflationsentwicklung der letzten Monate macht Hoffnung, dass wir uns derzeit am Beginn dieser Erholungsphase befinden könnten: Zwischen Ende September und Dezember 2022 haben die US-Aktienmärkte ca. 6% an Wert gewonnen. In der Vergangenheit boten die Aktienmärkte im Jahr, nachdem die Inflation überwunden wurde, durchschnittlich 31% Gewinn und machten damit die vorangegangenen Verluste gerade wieder wett.
Aus diesem Grund gibt es im Umgang mit Inflation zwei einfache Faustregeln:
- Lass dein Geld nicht auf dem Sparkonto liegen: Dort wird es mit Sicherheit von der Inflation aufgefressen.
- Investiere langfristig: Aktien leiden zwar unter der kurzfristigen Inflation. Langfristig bieten sie aber eine Rendite, welche die Inflation deutlich übertrifft.
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