Hallo Krise. Tschüss Krise!
Aktuell laufen wir von einer Krise in die nächste. Ist das noch normal? Wir werfen einen Blick zurück.
Die Situation an den weltweiten Aktienmärkten ist derzeit unübersichtlich und geprägt von starken Kursschwankungen und deutlichen Verlusten. Solche Phasen sind nicht nur für unerfahrene Anleger:innen nervenaufreibend. Vermutlich beschäftigen auch dich deshalb gerade verschiedene Fragen: Wie aussergewöhnlich sind die aktuellen Ereignisse eigentlich? Und was bedeuten sie für meine Anlagen? Gab es ähnliche Verluste in der Vergangenheit schon einmal? Wie könnte sich die Lage weiterentwickeln? Haben wir das Gröbste schon hinter uns? Und ist es eine gute Idee, jetzt zu investieren?
Mit diesem Marktbericht möchten wir dir helfen, genau diese Fragen zu beantworten und das aktuelle Marktumfeld richtig einzuordnen. Dazu werfen wir einen Blick in die Vergangenheit und vergleichen die aktuellen Verwerfungen mit historischen Finanzmarktkrisen.
Kein Grund zur Panik: Krisen wie diese gibt es immer wieder!
Von Anfang Jahr bis Ende Oktober hat der weltweite Aktienmarkt 16.5% Prozent verloren. Der maximale Verlust war zwischenzeitlich sogar noch etwas höher: Zwischen Mitte November 2021, als die Märkte ihren Höhepunkt erreichten, und dem Tiefpunkt Mitte Oktober 2022 verloren Aktien ungefähr 26%.
Zur ersten schnellen Einordnung zeigen wir in der obigen Darstellung die Entwicklung des US-Aktienmarktes seit 1960 zusammen mit den wichtigsten historischen Krisen und ihren maximalen Verlusten. Daraus lässt sich bereits erkennen, dass die Ukraine-Krise aus einer langfristigen Perspektive nichts Besonderes ist: In den letzten 62 Jahren gab es neun Börsenkrisen, die innerhalb von 300 Tagen Verluste von mindestens 16.5% verursachten – also ähnlich wie jene, die wir seit Anfang Jahr erleben. Die Krisen mit den höchsten zwischenzeitlichen Verlusten waren dabei die Finanzkrise von 2007 mit -55%, die Dotcom-Blase Anfang 2000 mit -50% und die Ölkrise Mitte der Siebzigerjahre mit -47%. Dagegen weisen die Ukraine-Krise mit bisher -26% und die sogenannte «Baby-Bär» Krise der Sechzigerjahre mit -21% die geringsten Verluste aus.
Worauf muss ich mich bei einer solchen Börsenkrise gefasst machen?
Natürlich hat jede Krise ihre Eigenheiten. Die Vergangenheit wiederholt sich nicht, denn schliesslich lernen wir dauernd dazu. Und machen dann wieder neue Fehler. Trotzdem lassen sich gewisse Eigenschaften und Gemeinsamkeiten von Börsenkrisen finden. Einige davon haben wir als Infografik aufbereitet:
Eine Krise vom Ausmass, wie wir sie derzeit erleben, gab es im Schnitt der vergangenen Jahrzehnte alle 6 bis 7 Jahre. Während die Ukraine-Krise bis zum heutigen Zeitpunkt ungefähr 300 Tage andauert, betrug die durchschnittliche Dauer historischer Aktienmarktkrisen – vom vorangehenden Höchststand bis zum Tiefpunkt – etwas mehr als 400 Tage. Am längsten dauerte die Dotcom-Krise mit etwa zweieinhalb Jahren, wobei diese durch Folgeereignisse wie 9/11 und den Irak-Krieg verlängert wurde. Die kürzesten Krisen, Black-Monday und Corona, liefen im Gegensatz dazu innerhalb weniger Tage, respektive Wochen, ab. Selbst die globale Finanzkrise von 2007 erreichte bereits nach knapp eineinhalb Jahren ihren Höhe-, respektive Tiefpunkt, bevor sich die Märkte zu erholen begannen. Der Verlust bis zur Erreichung der Talsohle betrug dabei im Schnitt über alle Krisen 38%.
Und was passiert danach?
Eine alte Binsenweisheit besagt, man sollte Aktien kaufen, wenn sie günstig sind. Und günstig(er) sind sie insbesondere dann, wenn sie zuvor an Wert verloren haben. Es ist immer besser zu investieren, nachdem die Preise gefallen sind. Dies ist eine der wenigen unbestreitbaren Tatsachen auf den Finanzmärkten. Und diese Tatsache widerspiegelt sich auch in der Statistik zur Renditeentwicklung nach Markteinbrüchen: Wenn Aktien zuvor innerhalb von 300 Tagen mehr als 16.5% verloren haben (so wie dies aktuell der Fall ist), liegt die historische Wahrscheinlichkeit für eine positive Rendite im Folgejahr bei knapp 85%. Das bedeutet, es tritt nicht selten eine baldige Erholung ein. Die Erholung erfolgt dabei typischerweise schnell und stark: Der Gewinn an den Aktienmärkten im ersten Jahr nach dem Durchschreiten einer Talsohle betrug im Schnitt 51%. Damit fiel er sogar etwas höher aus als die vorangegangenen Verluste während der Krise. Ein Grossteil der angehäuften Verluste wird also regelmässig relativ bald nach dem Ende einer Krise wieder gutgemacht. Dies zeigt sich auch am folgenden Beispiel: Mit einer langfristigen Investition («buy-and-hold») in den US-Aktienmarkt hat man seit 1960 eine durchschnittliche Jahresrendite von 10.4% erzielt. Hätte man dagegen versucht, sich während den Krisen «abzusichern» – indem man ab einem Verlust von 16.5% alles verkauft und erst wieder einsteigt, sobald die Verluste wettgemacht sind –, wäre die Jahresrendite um ganze 2% auf 8.4% gesunken: Aus einer Investition von CHF 10‘000 über 62 Jahre wäre dadurch anstatt CHF 4.5 Mio. «nur» CHF 1.5 Mio. geworden. Dieser enorme Unterschied von CHF 3 Mio. entsteht dabei durch den Zinseszinseffekt. Und er zeigt, was es wert sein kann, beim Investieren die Nerven und die Aktien zu behalten.